3D Krebsforschung

Die Vielfalt des Tumors in 3D

Jeder Tumor erhält bei seiner Entstehung ein spezifisches genetisches Profil, das sich für die personalisierte Krebstherapie nutzen lässt. Doch selbst innerhalb ein und desselben Tumors entwickeln sich Regionen mit unterschiedlicher genetischer Ausstattung. Mit Hilfe eines dreidimensionalen Tumormodells konnten Wissenschaftler im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) an der Charité-Universitätsmedizin Berlin, am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden und an der Technischen Universität München erstmals zeigen, wie sich krebsrelevante Gene beim Darmkrebs in bestimmten Tumorregionen vervielfachen. Die Ergebnisse könnten helfen, die molekulare Routinediagnostik bei Krebs zu verbessern. Im DKTK verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen universitären Partnerstandorten in Deutschland.

Das dreidimensionale Tumormodell zeigt, in welchen Arealen die Kopienzahl des...
Das dreidimensionale Tumormodell zeigt, in welchen Arealen die Kopienzahl des Gens BRCA2 im Darmtumor verändert ist. Im inneren Tumorbereich fanden die Wissenschaftler besonders viele Kopien des Gens (dunkelrot), während in einigen äußeren Regionen die Kopienzahl kaum zunahm (hellrot) oder unverändert blieb (weiß).
Quelle: Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK)

„Zellen ein und desselben Tumors können genetisch sehr verschieden sein und dadurch auch unterschiedlich auf die Therapie reagieren“, erklärt Christine Sers von der Berliner Charité, Leiterin der im Wissenschaftsmagazin Nature Communications veröffentlichten Studie. Bislang war jedoch nicht bekannt, welchem räumlichen Muster diese genetischen Veränderungen genau folgen.

Um das herauszufinden, zerlegten die Wissenschaftler einen Darmtumor in 68 Proben aus unterschiedlichen Geweberegionen und analysierten die 100 am häufigsten veränderten Gene. Die räumliche Anordnung der genetischen Unterschiede rekonstruierten sie anschließend in einem dreidimensionalen Tumormodell. „Aufgrund der hohen Auflösung war es möglich, auch genetische Veränderungen zu erkennen, die nur in einem sehr geringen Prozentsatz der Tumorzellen vorliegen“, betont Soulafa Mamlouk, Erstautorin der Studie.

Interessanterweise unterschieden sich die einzelnen Tumorabschnitte kaum in der Art und Anzahl von Erbgut-Mutationen, sondern hauptsächlich in der Kopienzahl bestimmter Gene, die in den Zellen verringert oder vervielfacht wurden. Zahlreiche Genvervielfachungen fanden die Wissenschaftler beim Übergang vom äußeren zum inneren Tumorbereich, unter anderem für das Gen BRCA2, das bei Brustkrebs eine entscheidende Rolle spielt. Auch in 
der invasiven Tumorregion, jenem Areal, das in angrenzendes gesundes Gewebe hineinwächst, fanden die Wissenschaftler besonders viele Genvervielfältigungen, beispielsweise für das Gen HDAC2, das ein zentrales Enzym in der Genregulation kodiert.

Je nach Stadium unterschieden sich die Tumoren genetisch hauptsächlich durch die Anzahl bestimmter Genkopien. Das zeigte sich, als die Wissenschaftler jeweils den Primärtumor und verschiedene Metastasen von 27 Patienten verglichen. Gene wie CDX2 und WFDC2, welche die Metastasenbildung und das Tumorwachstum begünstigen, waren in den Metastasen vervielfacht, während das Tumorsupressorgen SMAD4 dort in besonders geringer Kopienzahl vorlag.

„Unsere Ergebnisse sind ein wichtiger Hinweis darauf, dass Tumorprogression und Therapieverhalten entscheidend durch Genvervielfältigung und Genverlust bestimmt werden“, sagt Christine Sers. „Tumorzellen, bei denen ganze Chromosomenabschnitte oder einzelne Gene vervielfacht wurden, sind genetisch besonders anpassungsfähig und werden möglicherweise auch schneller gegen Therapien resistent.“ Die Studie zeigt außerdem, dass gängige Biopsien nicht immer Aufschluss über alle Tumormerkmale geben. Die Ergebnisse der Wissenschaftler könnten dabei helfen, differenziertere Tumorprofile zu erstellen und die derzeitige Routinediagnostik zu verbessern.

Quelle: Deutsches Konsortium für translationale Krebsforschung (DKTK)

 

06.02.2017

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