Innovatives Biomaterial

Knorpelschaden im Knie - Wissenschaftler kopieren Natur

Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden haben einen neuen Ansatz gefunden, wie beispielsweise Knorpeldefekte im Knie behandelt werden können. Dazu nutzt das Team ein speziell entwickeltes Trägermaterial, einen Scaffold.

Biomaterial-Scaffold im Labor von Prof. Michael Gelinsky (, MFD).
Biomaterial-Scaffold im Labor von Prof. Michael Gelinsky (, MFD).
Quelle: Medizinische Fakultät der TU Dresdden/Stephan Wiegand

In einer Zusammenarbeit zwischen der Textiltechnik der TU Dresden und dem Zentrum für Translationale Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung an der Medizinischen Fakultät wurde weltweit erstmals das textiltechnische Verfahren des elektrostatischen Flockens für die Herstellung von im Körper abbaubaren Biomaterial-Scaffolds mit einstellbarer Porosität und ausgezeichneten mechanischen Festigkeiten nutzbar gemacht.

Die große Herausforderung bei der Konstruktion war es, einen möglichst guten Kompromiss zwischen poröser Struktur und Festigkeit zu finden, denn umso größer die Räume für körpereigene Zellen gestaltet werden, desto instabiler wird der Biomaterial-Scaffold. Aber genau darauf kommt es an, wenn künftig ein Implantat den natürlichen Bewegungen des Gelenkes standhalten soll.

Kaum ein Punkt im Körper ist mechanisch so beansprucht wie das Knorpelgewebe im Kniegelenk. Etwa 1.500 Mal wird das Gelenk am Tag gebeugt und manchmal mit dem Achtfachen des Körpergewichtes belastet. Kräfte, die ihre Spuren hinterlassen. Deshalb wird schon lange nach einer Option gesucht, wie sich künstliches Knorpelgewebe, mit ähnlich guten Eigenschaften wie das natürliche Original herstellen lässt, um damit lokale Defekte behandeln und letztlich wieder heilen zu können. Stoßbelastungen werden im Knie absorbiert und Scherkräfte ausgeglichen.

Aus diesem Grund musste ein Trägermaterial gefunden werden, welches genau diese Fähigkeiten mitbringt, sich im Körper nach einer fest definierten Zeit abbaut und gut verträglich ist. In der Textilindustrie wird das für die Medizin neu entdeckte Flockverfahren schon seit Jahrzehnten angewandt. Auf ein Substrat werden zirka ein bis drei Millimeter lange Fasern aufgebracht. Allerdings nicht, wie sonst üblich, aus Kunstfasergewebe, sondern für die medizinische Anwendung aus einem Biopolymer, Chitosan. Dieses wird aus dem Chitinpanzer von Krebstieren gewonnen und aufbereitet.

Der Vorteil: es handelt sich dabei um einen biologischen und nachwachsenden Rohstoff, der in der Lebensmittelindustrie als Abfallprodukt permanent anfällt. Das Chitosan lässt sich auch zu Fäden verspinnen und auf die gewünschte Länge zuschneiden und als Trägermaterial verwenden. In einem elektrischen Hochspannungsfeld richten sich die kurzen Fasern auf und schießen in eine zähflüssige Chitosanlösung ein, welche rasch aushärtet. Nach Sterilisation des entstandenen Scaffolds kann dieser mit einer Suspension von Knorpelzellen und einem Hydrogel befüllt werden. Auf diese Weise könnte künftig ein biologisches Implantat für Knorpeldefekte im Knie entstehen, welches mit dem natürlichen Vorbild nahezu identisch ist und dessen Trägermaterial sich innerhalb einer optimalen Zeit von etwa einem halben Jahr rückstandslos abbaut.


Quelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

23.12.2016

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