Artikel • Hybridbildgebung

„Kommt kein Widerspruch, ist ein Ja ein Ja“

"Dein größter Feind bist du selbst“. In der Psychologie ist diese Erkenntnis bekannter als in der Radiologie oder Nuklearmedizin.

Und doch ist Prof. Andreas Bockisch, ehemaliger Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am UK Essen, überzeugt: In der Psyche des Befunders lauern die größten Fallstricke bei der Hybridbildgebung. Auf welche Unwägbarkeiten noch zu achten ist, darüber spricht der renommierte Wissenschaftler in seinen Vortrag zu „Pitfalls der Hybridbildgebung beim Abdomen“. Im Gespräch gibt er erste Einblicke.

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Prof. Andreas Bockisch, ehemaliger Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am UK Essen.

Hybridbildgebung heißt im Regelfall, die funktionelle Diagnostik der Nuklearmedizin mit der morphologischen Radiologie zu kombinieren, sei es im PET/CT, im SPECT/CT oder neuerdings bei der PET/MRT. So wird im Normalfall beim Abdomen zuerst ein CT gemacht, anschließend erfolgt die nuklearmedizinische Untersuchung, die typischerweise zwischen 15 und 30 Minuten dauert.

Und darin liegt bereits die erste „Falle“ begründet, wie der Nuklearmediziner ausführt. Denn die reine Lehre besagt, dass sich der Patient während der Aufnahme nicht bewegen sollte. „Zu Problemen kommt es aber, wenn der Patient sich nur ein bisschen bewegt und die CT den Patienten sozusagen an anderer Stelle ablichtet als die PET“, so Bockisch. Gleiches gilt für die MRT oder das SPECT. „Grobe Bewegungen fallen uns auf, doch wenn beispielsweise ein Lymphknoten, den ich im CT erkenne, beim PET um einen Zentimeter verschoben an einer anderen Stelle liegt, begünstigt dies eine Fehlzuordnung.“

Die häufigsten „Pitfalls“: Atmung und Darmbewegung

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Abb. 1 links: Sogenannter Pilzartefakt: Beim Spiral-CT (insbesondere bei wenigen Zeilen) wird beim freien Atmen die Leberkuppe im Verlauf mehrmals vom CT-Strahl getroffen, das Gleiche gilt für die darüber liegende Lunge.Das so generierte CT-Bild, entspricht also nicht der Anatomie. Die PET-Akquisition dauert Minuten/Bettposition und erfolgt während normalen Atmens. Da das CT-Bild für die Schwächungskorrektur des PET verwendet wird, entstehen Artefakte im PET, da das CT- und das PET-Bild im Bereich der hohen Atemexkursion im Leberbereich nicht deckungsgleich sind. Dort, wo bei der CT-Akquisition Lebergewebe getroffen wurde, errechnet sich eine PET-Information, dort wo die Lunge getroffen wurde „verschwindet“ die PET-Information. Abb. 2, rechts: Die Lösung: Atemprotokoll: - flaches Atmen bis Mitte Thorax - Atemanhaltephase in Expiration bis unterer Leberrand - flaches Atmen
Quelle: T. Beyer et. al. EJNM 30 (4), 2003

Eine reine CT-Untersuchung wird bei Atemstillstand mit maximaler Inspiration durchgeführt. Angesichts ihrer Dauer wird die PET-Untersuchung bei flacher Atmung realisiert. Abweichungen zwischen den beiden Aufnahmen sind damit vorprogrammiert. „Beim Abdomen ist die Stelle der größten Anfälligkeit für Ungenauigkeiten der Leberbereich. Denn verschiebt sich dieses Organ durch die Atmung auch nur ein wenig, ist das Matchen von CT- und PET-Aufnahmen nicht mehr ein zu eins möglich.“

Während die Auswirkungen der Atmung bekannt und kalkulierbar sind, lassen sich andere Faktoren nur schwer in den Griff bekommen: Darmbewegungen sind ebenso wenig vorhersehbar wie die Blasenfüllung. „Durch die Zeitverschiebung zwischen CT- und PET-Aufnahmen ist die Unschärfe bei der Genauigkeit der Zuordnung kaum zu vermeiden.“ Daher sind Erfahrung und gute Planung wichtig. Bockisch: „Zunächst erfolgt die Qualitätskontrolle. Je nach Tracer, der bei der PET verwendet wird, lassen sich die Konturen der Organe entsprechend gut erkennen. Überwiegend werden FDG-Untersuchungen durchgeführt, bei denen wir die Leber, aber auch die Knochen und die Muskulatur gut erkennen können. Im Anschluss wird geprüft, ob die Strukturen, die man in beiden Aufnahmen identifiziert hat, auch gut zueinander passen. Wenn alles hinkommt, können wir davon ausgehen, dass auch der Rest gut passt.“ In der Regel seien die Abweichungen keine „große Sache“, betont der Spezialist. Trotzdem muss jedem klar sein, dass ein Punkt im CT und einer im PET eben nicht ein und denselben Punkt darstellen.

Wer im digitalen Zeitalter eine Software erwartet, die beide Bilder zusammenbringt, wird enttäuscht. „Das lässt sich nicht berechnen, weil in beiden Bildern gänzlich unterschiedliche Informationen verarbeitet sind. Manche Tracer zeigen uns im PET einen fast leeren Körper mit einigen stark angereicherten Punkten und so wenig morphologischer Information, dass ein automatisierter Abgleich nicht möglich ist.“

Für die Interpretation wird das CT als „Landkarte“ unterlegt, die parallel skaliert und nicht verdreht sein sollte. „Wenn ich an einem nicht regulierten Flusslauf vorbeikomme, setze ich voraus, dass sich dieser genauso darstellt, wie zum dem Zeitpunkt, an dem er kartographiert wurde. Die ist in der Regel aber nicht der Fall“, findet Prof. Bockisch einen anschaulichen Vergleich. Ähnliches gilt beispielsweise für den Darm.

Welche Fallstricke gibt es noch?

Die größte Quelle für ,Pitfalls‘ ist die Psyche des Befunders

Andreas Bockisch

Zu hoch dosierte Kontrastmittel können zu einem falsch positiven Befund führen. Normalerweise wird deshalb ein orales Kontrastmittel als Negativ-Kontrast verabreicht. „Doch passiert es gelegentlich, dass der Patient von einer früheren Untersuchung noch ein Positiv-Kontrastmittel im Darm hat“, weiß Bockisch aus Erfahrung. „In diesem Fall muss man sich die nicht schwächungskorrigierten PET-Bilder anschauen“. Ähnliches gilt bei Patienten mit größeren Metallteilen im Körper. Denn aufgrund der Schwächungskorrektur-Eigenschaften wird an dieser Stelle eine scheinbare PET-Anreicherung berechnet. „Meine Botschaft ist daher: Die größte Quelle für ,Pitfalls‘ ist die Psyche des Befunders.“ Dieser erwarte nämlich eine identische Aussage. „Wenn jedoch beide Methoden die gleiche Aussage machten, könnte man sich eine der beiden schenken. Je nach Fachrichtung des Befunders, der radiologischen oder nuklearmedizinischen Seite, neigt er dazu, die ,eigene‘ als richtig anzusehen. Wer das unbedingte Bedürfnis hat, die Methoden passend zu machen, übersieht Befunde.“ Stattdessen empfiehlt der Nuklearmediziner: „Wenn die eine Methode ,ja‘ sagt und die andere das nicht widerlegen kann, bleibt es beim ,ja‘.“ Die Kunst des Hybridbefundens besteht darin, bei widersprüchlichen Ergebnissen zu entscheiden, welche die glaubwürdigere Methode ist.

Um diesen ‚Pitfalls‘ zu entgehen hat man sich in Essen unter seiner Ägide auf ein Vorgehen verständigt: Ein Kollege übernimmt die Befundung und je ein Vertreter aus beiden Fächern überprüft das Ergebnis. „Das machen wir sehr erfolgreich schon seit 15 Jahren so: zum Schluss muss man sich einigen und das geht in der Regel völlig problemlos.“


Profil:
Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Andreas Bockisch studierte von 1969 bis 1974 Physik an der Universität Köln. Nach dem Diplom im August 1974 begann er ein Jahr später dort ein Medizinstudium. 1977 erlangte er die Promotion zum Dr. rer. nat. Nach seiner Approbation im Fach Medizin 1983 promovierte er 1984 zum Dr. med. Nach seiner Anerkennung als Facharzt habilitierte er sich 1990 an der Universität Bonn für das Fach Nuklearmedizin. Die berufliche Laufbahn startete Andreas Bockisch zunächst als wissenschaftlicher Assistent 1976 am I. Physikalischen Institut der Universität Köln und später in der Klinik für Nuklearmedizin der Universität Bonn. Nach einem zwischenzeitlichen Forschungsaufenthalt am PET-Center der University of Tennessee/Knoxville, USA, wechselte er 1991 als leitender Oberarzt an die Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Mainz. 1996 folgte Bockisch dem Ruf auf den Lehrstuhl für Nuklearmedizin an der damaligen Universität Gesamthochschule Essen und wurde zum Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am UK Essen ernannt. Ende Juli dieses Jahres wurde der anerkannte Experte emeritiert.


Veranstaltungshinweis:
Raum: Congress-Saal
Donnerstag, 03.11.2016, 18:00 - 18:30 Uhr
Pitfalls der Hybridbildgebung im Abdomen
Andreas Bockisch, Essen
Session: Tipps und Tricks der Abdominellen Bildgebung

02.11.2016

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