Artikel • Virtuelle Koloskopie

Was wirklich wichtig ist – die Darmvorsorge

Zuerst wird Kohlendioxid in den Enddarm eingebracht. Dann wird der gesamte Bauchraum, von Leberoberkante bis Hüften, zweimal – einmal in Bauchlage, einmal in Rückenlage – mit dem Computertomographen in Niedrigdosistechnik gescannt. Und schließlich werden die eingescannten Schnittbilder durch Computerprogramme aufbereitet und in realistische, dreidimensionale Bilder verarbeitet, die so wirken, als ob man mit einem Endoskop in den Dickdarm blicken würde. So funktioniert die virtuelle Koloskopie, die immer häufiger als Alternative zur herkömmlichen Darmspiegelung angeboten wird.

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Prof. Dr. Rolf Janka

Ob echte und virtuelle Koloskopie gleich gut sind oder ein Verfahren dem anderen überlegen ist, ist gar nicht so einfach zu sagen: „Weil derartige Studien extrem aufwändig sind, gibt es meines Wissens nur sehr wenige, die an einem großen Patientengut einen direkten Vergleich zwischen echter und virtueller Koloskopie anstellen“, erklärt Prof. Dr. Rolf Janka, Leitender Oberarzt am Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen. Eine dieser Studien hat ergeben, dass die virtuelle Koloskopie bei kleinen Polypen bis zu einer Größe von sechs Millimetern ein bisschen schlechter abschneidet, bei den größeren hingegen gleich gut. Andere Studien gehen statistisch vor: Sie belegen, dass bei einer virtuellen Koloskopie genauso viele Polypen ab acht Millimeter detektiert werden wie bei der optischen Koloskopie. „Wichtig ist vor allem die Detektion der großen Polypen“, betont Janka.

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3D-Darstellung des Kolons: Hinter eine Falte „versteckt“ sich ein ca. 5 mm großer Polyp (Pfeil).

Die Frage, ob die virtuelle Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge genauso gut ist wie die klassische Koloskopie, hält Janka für gar nicht so wichtig: „Die virtuelle Koloskopie ist auf jeden Fall besser als gar keine. Es geht nämlich nicht darum, dass alle Menschen, die eine Darmkrebsvorsorgeuntersuchung haben wollen, nun eine virtuelle Koloskopie bekommen sollen. Es geht um die 80 Prozent der über 50-jährigen Deutschen, die gar nicht zur Koloskopie gehen.“ Obwohl es in Deutschland ein gut strukturiertes Vorsorgeprogramm gibt, ist die Zahl der Toten durch Kolonkarzinom kaum gesunken. Viele Menschen haben Angst vor der Koloskopie oder haben sie bereits als unangenehm erlebt, weiß Janka: „Daher wäre es wichtig, eine zweite Methode zu haben, damit dieses Screening angenommen wird.“

Es geht um die 80 Prozent der über 50-jährigen Deutschen, die gar nicht zur Koloskopie gehen.

Prof. Dr. Rolf Janka

Für den Patienten ist eine virtuelle Koloskopie wesentlich angenehmer. Das Aufblasen des Darmes mit CO2 dauert zwei bis drei Minuten, der Scan ebenso lang und nach weiteren fünf Minuten ist der Druck im Darm verschwunden, weil das CO2 durch den After entwichen ist oder von der Darmschleimhaut aufgenommen wurde. „Die virtuelle Koloskopie ist eine sichere Untersuchung“, unterstreicht Janka: Darmverletzungen seien weltweit bisher noch nicht beschrieben worden. Da bei der virtuellen Koloskopie keine sedierenden Medikamente verabreicht werden, ist der Patient nach der Untersuchung schnell wieder voll einsatzfähig. Es wird lediglich empfohlen, eine Stunde nach der Untersuchung nicht Auto zu fahren, weil durch die Medikamente für die Darmmuskelentspannung die Sehfähigkeit vorübergehend leicht eingeschränkt sein kann.

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„Aufgeschnittene“ Darstellung des Kolons (Die grüne Linie entspricht der Position von Bild 1): Der kleine Polyp ist nun leicht erkennbar (Pfeil).

Auch die Strahlenbelastung ist sehr gering. Weil zwischen Darmwand und der Luft im Darm ein perfekter Kontrast besteht, ist es möglich, die Strahlendosis auf ein Viertel einer herkömmlichen CT-Untersuchung zu reduzieren. In Summe komme man auf eine Strahlenbelastung, die ungefähr der natürlichen Strahlenbelastung von einem Jahr entspricht, rechnet Janka vor: „Für eine Untersuchung, die man fünfmal im Leben durchführt, ist das akzeptabel.“ Denn das Vorsorgescreeningprogramm beginnt mit dem 50. Lebensjahr und ist bis zu einem Alter von 75 Jahren vorgesehen. Und eine virtuelle Koloskopie sollte nicht alle zehn, sondern alle fünf Jahre durchgeführt werden.

Profil:
Prof. Dr. Rolf Janka ist Leitender Oberarzt am Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen. Er wurde 2014 von der Medizinischen Fakultät Erlangen-Nürnberg zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Seit 2015 gehört Janka dem Vorstand der AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates der Deutschen Röntgengesellschaft an.

13.10.2016

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