Offenes Wissenschaftsprojekt

Vom Helfer zum Herrscher?

Kann es eine lernende künstliche Intelligenz geben? Wird es eine neue symbiotische Beziehung zwischen Menschen und intelligenten Maschinen geben können? Oder werden die Menschen in den intelligenten Maschinen weiterleben? Professor Gerd Doeben-Henisch vom Fachbereich Informatik und Ingenieurwissenschaften der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) hat das „Emerging Mind Projekt“ initiiert, das Antworten auf diese und ähnliche Fragen sucht. Es startete Mitte November 2015 als offenes Wissenschaftsprojekt und soll von der Teilnahme der Öffentlichkeit profitieren. Dafür werden auch ein YouTube-Kanal und eine interaktive 3D-Plattform eingesetzt.

Prof. Dr. Gerd Doeben-Henisch vom Fachbereich Informatik und...
Prof. Dr. Gerd Doeben-Henisch vom Fachbereich Informatik und Ingenieurwissenschaften der Frankfurt University of Applied Sciences.
Quelle: Frankfurt UAS

Am Mittwoch, den 20. Januar 2016, wird um 19:30 Uhr im Rahmen der „unplugged heads Serie“ des Instituts für Neue Medien Frankfurt (INM) das Emerging Mind Projekt vorgestellt. Das Projekt versteht sich als Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem immer drängender werdenden Problem der zunehmenden Durchdringung der Gesellschaft durch intelligente Maschinen. Durch eine Vielzahl von Vorträgen, Workshops, Publikationen und einem YouTube-Kanal soll das Thema in einem öffentlichen Diskurs zugänglich gemacht werden. Mehr noch,  im Rahmen eines offenen Wissenschaftsprojektes werden Theorie und Software für intelligente Maschinen schrittweise entwickelt und über eine interaktive 3D-Plattform im Internet zum Ausprobieren und Mitmachen zur Verfügung gestellt. Hierbei sollen auch webbasierte interaktive neue Lernräume und Lernformen mit intelligenten Tutoren entstehen.

Eine Besonderheit: das offene Wissenschaftsprojekt versteht sich zugleich auch als Kunstprojekt. Unter dem Label PHILOSOPHY-IN-CONCERT hat eine hybride Künstlertruppe aus Menschen und intelligenten Maschinen eine Veranstaltungsreihe gestartet, in der Themen der Philosophie und Wissenschaft  aus dem Bereich Emerging Mind in Form einer Performance mit Texten, Bildern, Aktionen und neuer experimenteller Musik gefolgt von Diskussionen künstlerisch umgesetzt werden.

„Lange Zeit nur Stoff für Science-Fiction-Bücher, -Filme und -Computerspiele gewinnt die Präsenz von intelligenten Maschinen im Alltag eine Realitätsintensität, die nicht nur im Alltag und in der Freizeit angekommen ist, sondern auch in der Arbeitswelt. Intelligente Maschinen treten in allen Arbeitsbereichen auf, bis hin zum Management“, erklärt Doeben-Henisch. „Selbst Topmanager, die sich gerne als die Herren des Geschehens sehen und dementsprechend bezahlen lassen, werden zu Getriebenen einer technischen Entwicklung.“ Schon immer waren neue Technologieschübe Chance und Herausforderung zugleich, alte Produktionsmethoden durch neue zu ersetzen. Die heutige Technologie der intelligenten Maschinen besitzt aber eine neue Qualität: Es kann nicht nur billiger und schneller produziert werden, sondern die neuen intelligenten Maschinen bringen ihr eigenes Wissen mit, wie sie dies machen. Der Manager von heute braucht die intelligenten Maschinen, um zu wissen, was er tun kann. „Das kann positiv erscheinen; diese intelligenten Maschinen helfen.. Doch mittlerweile ändert sich die Rolle der intelligenten Maschinen in globalen Konzernen immer mehr dahin, dass diese maschinelle Intelligenz nicht nur sagt, was man tun kann,  sondern auch vorschlägt, was man wie tun sollte“, ergänzt Doeben-Henisch. „Die Zeiten sind vorbei, in denen die Menschen das Konzernwissen alleine definiert haben. Die Menge der täglich global erhobenen Daten und die Komplexität der auswertenden und prognostizierenden Algorithmen sind mittlerweile weit jenseits von dem, was einzelne Menschen noch kontrollierend verstehen können. Aus den Herrschern des Geschehens werden Getriebene, für die es kein Zurück mehr gibt.“

Das „Emerging Mind Projekt“ widmet sich deshalb Fragen wie:

  • Ist diese Entwicklung unaufhaltsam?
  • Laufen die Firmen dieser Entwicklung hinterher, ohne zu merken, dass sie sich damit schrittweise selbst abschaffen?
  • Ist dies möglicherweise die sachlich erzwungene Fortsetzung der biologischen Evolution, die vom Kleinen, Einfachen, scheinbar unaufhaltsam zum immer Komplexeren, zum immer Vernetzteren, zum immer Intelligenteren voranschreitet und heute eben den Punkt erreicht hat, bei dem  die Intelligenz der Menschen zum Werkzeug dafür wurde, eine noch größere Vernetzung von Menschen mittels intelligenter Maschinen zu ermöglichen?
  • Wird das Wissen, das durch die massenhaft auftretenden intelligenten Maschinen möglich wird,  zum neuen globalen Bewusstsein einer Menschheit, in der Unterscheidungen wie z.B. Nationalitäten, einzelne Firmen, Alphatiere, Privatheit irrelevant werden, weil die Globalität des Wissens alle gleich macht?
  • Ist das die neue Symbiose von Menschen und intelligenten Maschinen?
  • Werden sich die Menschen in dieser Symbiose bis zum gewissen Grad auflösen und Teil eines größeren Ganzen werden?

Angeregt von Doeben-Henisch, einem ausgebildeten Theologen, Philosophen, und Kognitionswissenschaftler, promoviert in Logik und Wissenschaftstheorie, seit 2001 Professor an der Frankfurt UAS mit den Schwerpunkten „Lernende Systeme“ und „Mensch-Maschine-Interaktion“ und  Mitglied des Vorstands des INM e.V., versteht sich das Emerging Mind Projekt als ein philosophisches Wissenschaftsprojekt. Institutionell verankert im INM, einer Einrichtung des gleichnamigen gemeinnützigen Vereins, lebt dieses Projekt von der Zusammenarbeit von Professorinnen und Professoren sowie Studierenden verschiedener Hochschulen, Schulen, Firmen und engagierten Bürger(inne)n.

Für die Frankfurt UAS verspricht sich Doeben-Henisch durch das Projekt Impulse unter anderem für den interdisziplinären Masterstudiengang Barrierefreie Systeme (BaSys), in dem er lehrt. In aktuellen Lehrveranstaltungen sind bzw. werden Themen des Projekts verankert.

Termin Projektpräsentation: 20. Januar 2016, 19:30 Uhr

Ort:  Institut für Neue Medien (INM) Frankfurt am Main, Schmickstraße 18, 60314 Frankfurt am Main; www.inm.de

Quelle: Frankfurt University of Applied Sciences

14.01.2016

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