Artikel • Venen

Es darf mehr interveniert werden

Obwohl Interventionen am venösen System etabliert sind, wird die Behandlungsform sehr unterschiedlich von Radiologen angenommen. „Häufig liegt es an der richtigen Indikation zum Eingriff“, sagt Prof. Dr. Patrick Haage, Direktor des Lehrstuhls für Klinische Radiologie der Universität Witten/Herdecke, und möchte Radiologen zur minimal-invasiven Variante ermuntern. Denn gerade zentralvenöse Obstruktionen kommen recht häufig vor und lassen sich interventionell gut behandeln.

Die Therapie kann auf vielfältige Weise vorgenommen werden und differiert je nach Patient und Situation.

Prof. Patrick Haage

„Rund 200.000 Menschen pro Jahr erleiden allein in Deutschland eine tiefe Venenthrombose (TVT)“, so die Schätzung Haages. Er erklärt: „Die Therapie kann auf vielfältige Weise vorgenommen werden und differiert je nach Patient und Situation.“ So können Interventionen am venösen System mit Ballons, Stents oder durch eine unterstützende Thrombektomie durchgeführt werden, in der Regel  begleitend zur pharmakologischen Behandlung. 

„Gerade bei jüngeren Patienten sollte die Möglichkeit einer mechanischen Intervention geprüft werden. Bedauerlicherweise gibt es wenig harte Evidenz, wie man welche Patienten mit TVT zu behandeln hat“, beschreibt Haage das Dilemma. Die Behandlung richtet sich nach der Gefäßregion und dem Zustand des Patienten. „Auch Thrombosen im Gehirn (SVT) können interventionell behandelt werden“, erklärt der Experte, „eine Intervention kann auch bedeuten, ein Gefäß nicht zu rekanalisieren, sondern zu embolisieren.“ Bei der Varikozele, die bei jüngeren männlichen Patienten potenziell zu Unfruchtbarkeit führt, ist nicht nur eine operative, sondern auch eine interventionelle embolische Lösung eine sinnvolle Alternative.

Abb. links: Vollständige akute thrombotische Obstruktion der rechtsseitigen...
Abb. links: Vollständige akute thrombotische Obstruktion der rechtsseitigen Beckenvenen bei einer 60-jährigen Patientin mit Gerinnungsstörung und Beinschwellung.
Abb. rechts: Erfolgreiche antegrade Flusswiederherstellung nach mechanischer Rekanalisation.

Im Notfall und bei Dialyseshuntpatienten unentbehrlich

Im Notfall ist die mechanische Intervention ein hervorragendes Mittel. „Bei einem Bronchialkarzinom, das die obere Hohlvene ummauert oder sogar infiltriert, erlebt der Patient einen Blutstau. In einem solchen Akutfall einer malignen Erkrankung muss schnell und ohne Umschweife reagiert werden“, so der Radiologe. Auch Hämodialysepatienten sollten primär interventionell vorgestellt werden. Eine medikamentöse Therapie ist hier nicht zielführend. „Hämodialysepatienten haben häufig Probleme mit dem venösen Abfluss, der einer Rekanalisation bedarf“, so Patrick Haage, „häufig tritt die Stenose anastomosenah auf.“

Ist der Durchfluss bei der Blutwäsche über den Dialyseshunt nicht mehr optimal, kann von einem Engpass oder Verschluss im Gefäßsystem ausgegangen werden. „In einem solchen Fall diagnostizieren wir klinisch, verifizieren angiographisch, punktieren das betroffene Gefäß und intervenieren problemorientiert“, erläutert Prof. Haage. Bei Dialysepatienten ist die Evidenz weniger strittig, der interventionelle Radiologe wird bei Engstellen oder Verschlüssen der Gefäße regelhaft als Erster tätig. Das ist auch in den entsprechenden aktuellen europäischen und US-amerikanischen Leitlinien so festgeschrieben.

Und warum wird noch immer verhältnismäßig wenig venös interveniert?

„Die meisten Radiologen und interventionellen Radiologen beschäftigen sich in der Ausbildung und in der praktischen Ausübung hauptsächlich mit dem arteriellen System“, vermutet der Spezialist und erklärt weiter: „Hier weiß man schon seit vielen Jahren, dass Stents im Becken gute Ergebnisse liefern und man im Unterschenkel eher dilatierend eingreift.

Die Rekrutierung von Patienten in groß angelegten Studien ist aufwendig und langwierig, nichtsdestotrotz ein Muss für eine dauerhafte Etablierung unserer Methoden.

Prof. Patrick Haage

Beim venösen System ist die Vorgehensweise  ähnlich, nur wird sie weniger häufig angefragt und seltener praktiziert.“ Prof. Haage bearbeitet ein Feld, über das es noch spärlich Literatur und wenige randomisierte Studien gibt, um zum Beispiel den Stellenwert  der mechanischen Behandlung von tiefen Venenthrombosen nachzuweisen. „Die Rekrutierung von Patienten in groß angelegten Studien ist aufwendig und langwierig, nichtsdestotrotz ein Muss für eine dauerhafte Etablierung unserer Methoden“, so Haage abschließend.

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Prof. Patrick Haage, Direktor des Zentrums für Radiologie am HELIOS Klinikum Wuppertal und Medizinischer Beirat der HELIOS Kliniken.

Profil:
Prof. Patrick Haage ist Direktor des Zentrums für Radiologie am HELIOS Klinikum Wuppertal und Medizinischer Beirat der HELIOS Kliniken. Der Experte mit zusätzlichem MBA darf sich nicht nur zertifizierter DGQ-Qualitätsmanager im Gesundheitswesen nennen, sondern hält zudem den Lehrstuhl für Klinische Radiologie an der privaten Universität Witten/Herdecke. Der Autor von über 200 Veröffentlichungen ist ehemaliger Präsident der Vascular Access Society (VAS) und im Vorstand der Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe (CIRSE).

Veranstaltungshinweis
Raum: Congress-Saal
Donnerstag, 29.10.2015, 14:00 Uhr
Update: Interventionen am venösen System
Patrick Haage, Wuppertal
Session: Interventionen

27.10.2015

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