Artikel • Wirbelsäule

MRT schafft Klarheit beim Puzzeln

Der Leidensdruck der Patienten ist immens, aber nicht selten wird die axiale Spondylarthritis (SpA) verkannt beziehungsweise erst nach langer Krankheitsdauer diagnostiziert.

Die chronisch-entzündliche rheumatische Systemerkrankung, die vor allem mit einer Entzündung an der Wirbelsäule einhergeht, ist eine von circa 400 rheumatischen Erkrankungen und gehört zur größeren Gruppe der Spondylarthopathien. Um die Erkrankung besser und früher erkennen zu können, wird Priv.-Doz. Dr. Johannes Grisar, Rheumatologe und Oberarzt der II. Medizinischen Klinik am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien, erklären, was er und seine Kollegen vom Radiologen für den Befund gern wissen möchten.

„Die Latenzzeit vom Symptombeginn bis zur Diagnose der axialen Spondyarthritis beträgt etwa sieben Jahre. Die meisten Betroffenen denken zunächst an die Volkskrankheit Rückenschmerzen und gehen deshalb nicht unbedingt zu einem Arzt und schon gar nicht zum Rheumatologen“, erklärt Dr. Grisar. Und auch in einem Nativröntgen, das meist am Anfang der Diagnostik steht, sind nicht alle Stadien und Formen der Erkrankung erkennbar.

Unauffälliges Nativröntgen einer 28-jährigen Patientin mit entzündlichem...
Unauffälliges Nativröntgen einer 28-jährigen Patientin mit entzündlichem Rückenschmerz.

Weil man aber nicht bei jedem Patienten sofort eine MRT durchführen kann, ist die primäre Vorgehensweise zunächst das Röntgen des Kreuz-Darmbein-Gelenks und – je nachdem, in welcher Region die Schmerzen lokalisiert sind – der verschiedenen Wirbelsäulenanschnitte. Wenn die Beschwerden schon länger bestehen, sind die entzündlichen Veränderungen im Röntgenbild häufig gut erkennbar. „Typisch ist eine Ankylosierung des Kreuz-Darmbein-Gelenks oder eine Verschmälerung oder Verbreiterung beziehungsweise eine Sklerosierung des Gelenkspalts. Aber auch in anderen Teilen der Wirbelsäule gibt es Veränderungen, vor allem an den Wirbelkanten (Spondylitis anterior oder posterior) beziehungsweise innerhalb der Wirbelkörper und des Bandscheibenraumes (Andersson-Läsion). Diese Veränderungen können zwar manchmal auch im Röntgen gesehen werden, auf jeden Fall aber mithilfe der MRT.“

Wenn der Verdacht aufgrund der klinischen Symptome hart, aber das Röntgen unauffällig ist, empfiehlt Dr. Grisar eine MRT-Untersuchung zur weiteren diagnostischen Abklärung, weil hier die Pathologie sehr gut beurteilt werden kann. „Auch hier interessieren uns vor allem Auffälligkeiten im Kreuz-Darmbein-Gelenk, wie Flüssigkeitsansammlungen oder Knochenmarködeme, ein- oder zweiseitig. Oder andere entzündliche Veränderungen wie Synovialitis oder Kapsulitis, die im MRT gut sichtbar sind“, so der Rheumatologe.

Die Bildgebung ist das wichtigste Instrument zur Diagnosefindung

Johannes Grisar

Die Diagnosefindung ähnelt einem Puzzlespiel. Denn das Gen HLA B27 ist zwar eng mit der axialen Spondylarthritis assoziiert, ist aber nicht zwingend Voraussetzung. Es handelt sich dabei nicht um einen Defekt, sondern ein zusätzliches Gen, das in Mitteleuropa etwa 8 Prozent der Bevölkerung aufweisen. Bei Verdacht muss deshalb zusätzlich zum Röntgen noch ein Labortest gemacht werden, bei dem dieser Parameter, aber auch Entzündungsparameter erhoben werden. Dr. Grisar: „Bei entsprechenden Beschwerden und dem Nachweis des Gens HLA B27 steigt die Wahrscheinlichkeit für die Erkrankung. Aber auch ohne das Gen kann eine axiale Spondylarthritis vorliegen. Deshalb ist die MRT-Untersuchung so wichtig, die Bildgebung ist das wichtigste Instrument zur Diagnosefindung.“ Neben der Bildgebung und dem Labor gilt es aber noch weitere Parameter wie eine positive Familienanamnese oder das Vorliegen bestimmter Begleiterkrankungen wie zum Beispiel Uveitis oder Psoariasis abzuklären.

Dr. Grisar rät deshalb, bei Verdacht früh und radiologisch zu untersuchen. Denn je früher mit der Therapie begonnen werden kann, desto besser wird der weitere Verlauf beeinflusst, weil so das Fortschreiten der Verknöcherung verzögert werden kann. Er hält es für wichtig, die Fragestellung richtig und genau zu formulieren. Und Radiologen und Rheumatologen sollten miteinander kommunizieren. „Da es auch sehr viele degenerative Veränderungen gibt und die axiale Spondylarthritis auch parallel vorkommen kann, sollte der Radiologe ganz gezielt nach diskreten Entzündungszeichen wie Kapsulitis oder kleinen Ödemen, die leicht übersehen werden können, Ausschau halten“, rät Grisar.


Profil:
Nach seinem Medizinstudium und der Dissertation an der Medizinischen Fakultät Wien absolvierte Priv.-Doz. OA Dr. Johannes Grisar seine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie an der Klinischen Abteilung für Rheumatologie der Universitätsklinik für Innere Medizin III. Es folgte ein zweieinhalbjähriger Auslandsaufenthalt an der Stanford University, USA, an der Division of Immunology and Rheumatology. Seit 2013 ist Dr. Grisar als Oberarzt an der II. Medizinischen Abteilung im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien tätig. Sein wissenschaftliches Interessengebiet und seine Forschungstätigkeit liegen hauptsächlich im Bereich der Spondylarthropathien.

Veranstaltungshinweis:
Raum: Europa-Saal
Freitag, 2. Oktober 2015, 16:00–16:20 Uhr
Was will der Rheumatologe vom
Radiologen wissen? (HS4)
J. Grisar, Wien/Österreich

25.09.2015

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