Ursache für akutes Leberversagen bei Kleinkindern entdeckt

Akutes Leberversagen ist bei Kleinkindern eine seltene, aber lebensgefährliche Erkrankung.Wissenschaftler einer internationalen Kooperation unter Federführung der Technischen Universität München (TUM), des Helmholtz Zentrums München und des Universitätsklinikums Heidelberg haben jetzt durch eine genomweite Sequenzanalyse Mutationen in einem bestimmten Gen entdeckt, die mit dem Auftreten der Krankheit zusammenhängen. Betroffen war dabei der Stofftransport in der Zelle.

Akutes Leberversagen ist bei Kleinkindern eine seltene, aber lebensgefährliche...
Akutes Leberversagen ist bei Kleinkindern eine seltene, aber lebensgefährliche Erkrankung. Problematisch ist dabei vor allem, dass sie häufig sehr plötzlich zum Beispiel bei Fieber auftritt. Die genauen Ursachen hierfür sind aber in rund 50 Prozent der Fälle ungeklärt.
Quelle: panthermedia.net/Sebastian Kaulitzki

Als seltene Erkrankungen gelten laut EU-Definition Krankheiten, an denen weniger als fünf von 10.000 Menschen leiden. Trotz niedriger Patientenzahlen sind diese Erkrankungen, zu denen auch das wiederkehrende akute Leberversagen gehört, in den letzten Jahren in den Fokus der Forschung gerückt. Der Grund: Viele sind erblich bedingt und haben eine genetische Ursache, die Wissenschaftler ermitteln können. Diese Erkenntnisse können auch wichtige Rückschlüsse auf Stoffwechselabläufe in gesunden Menschen liefern oder als Modellsystem für andere Erkrankungen dienen.

Sequenzanalysen decken genetische Defekte auf

Prof. Georg Hoffmann von der Kinderklinik in Heidelberg betreut seit 20 Jahren mehrere Patienten, die bereits im Kindesalter wiederholt Anfälle von akutem Leberversagen hatten. Aufgrund der ähnlichen Verläufe vermutete er eine gemeinsame Ursache für die Erkrankungen. Dr. Tobias Haack und Dr. Holger Prokisch vom Institut für Humangenetik der TUM und des Helmholtz Zentrums München haben nun bei 4 erkrankten Kindern nach der genetischen Grundlage für akutes wiederkehrendes Leberversagen bei Fieber gesucht. "Wir haben mit unserer Studie zunächst nach genetischen Gemeinsamkeiten bei diesen Kindern gesucht, um eine mögliche Ursache für ihre Krankheit zu finden", so Haack.

Die Wissenschaftler verwendeten die Methode der Exom-Sequenzierung, d. h. sie sequenzierten alle Abschnitte der Patienten-DNA, die Informationen für die Herstellung von Proteinen beinhalten. Zusätzlich untersuchten sie auch die DNA von nahen Angehörigen. Sie entdeckten dabei immer wieder fehlerhafte Veränderungen in einem bestimmten Gen. "Bei insgesamt 11 Patienten fanden wir Mutationen im NBAS-Gen. Damit können wir dieses Gen erstmals in Zusammenhang mit Lebererkrankungen bringen, was auch für andere Krankheitsbilder interessant sein könnte.", ordnet Prokisch die Ergebnisse ein.

Mutationen verursachen fehlerhafte Transportprozesse

Doch wie beeinflussen diese Mutationen zelluläre Abläufe? Um das zu klären, führten die Wissenschaftler anschließend molekularbiologische Experimente durch. Es zeigte sich, dass Mutationen im NBAS-Gen dazu führten, dass das Protein NBAS nur noch in geringer Menge gebildet wurde. NBAS ist an Transportprozessen in der Zelle beteiligt, bei dem Proteine in Bläschen verpackt und von einem Zellkompartiment zum nächsten transportiert werden. "Wir konnten zeigen, dass das fehlerhafte Protein stärker hitzeanfällig ist und somit bei Fieber weniger Protein für die Koordinierung der Transportprozesse zur Verfügung steht. Das wiederum könnte in der akuten Situation die Stoffwechselprozesse in der Leber negativ beeinflussen.", so Prokisch.

Das Ziel der Wissenschaftler ist vor allem, die Diagnose von seltenen Krankheiten wie dem akuten Leberversagen im Kindesalter zu verbessern, um eine gezielte Behandlung zu ermöglichen. Haack sieht in den Ergebnissen der Studie einen wichtigen Anknüpfungspunkt: „Wenn bei Kindern Fälle von Leberversagen im Zusammenhang mit Fieber auftreten, können wir jetzt gezielt das NBAS-Gen untersuchen."

Hoffmann erklärt: "Die Diagnose hat inzwischen auch entscheidende therapeutische Konsequenzen. Wir haben bereits über die Jahre für diese Patienten empirisch einen erfolgreichen Therapieansatz entwickelt, mit speziellen Medikamenten sowie Zucker- und Fettinfusionen. Dieser steht den frisch diagnostizierten Patienten sofort zur Verfügung und kann jetzt weiter verbessert werden."

Quelle: Technischen Universität München

 

06.07.2015

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