Perspektive

Die MRT-gesteuerte Prostatabiopsie

In einem Interview im Vorfeld des Deutschen Röntgenkongresses 2013 konstatierte Prof. Dr. Bernd Hamm, Direktor der Radiologischen Klinik der Charité in Berlin, dass die Zukunft der Prostatadiagnostik in der multiparametrischen MRT und der bildgestützten Biopsie liege. Nahezu zwei Jahre später wollten wir wissen, ob die Prognose auch gehalten hat, was sie damals versprach.

Fallbeispiel: Hochgradig tumorsuspektes Areal der Prostata in der peripheren...
Fallbeispiel: Hochgradig tumorsuspektes Areal der Prostata in der peripheren Zone links (Pfeil) bei Zustand nach zweifacher negativer systematischer TRUS-Stanze und weiterhin steigendem PSA-Wert (T2w und ADC).

Die MRT-gesteuerte Biopsie bei der Untersuchung der Prostata wird zunehmend eingesetzt. Was macht sie so attraktiv?

Zunächst wird die Prostata-MRT zunehmend vor der Biopsie durchgeführt, um präzise Daten zu bekommen. Besonders geeignet ist die Prostata-MRT bei Patienten mit vorangegangener negativer Stanze und weiterhin steigendem PSA-Wert. So haben wir in der Charité unsere Prostata-MR-Untersuchungen im letzten Jahr von 400 auf 800 Fälle verdoppelt.

Gleichzeitig gewinnt die MRT-geführte Biopsie an Attraktivität, weil sie die Schwächen der systematischen Stanze ausgleicht und suspekte Herde in der Prostata besser getroffen werden können. Allerdings gibt es inzwischen tatsächlich auch einen Trend von der MR-Biopsie zur MR-Ultraschall-Fusionsbiopsie. Denn der Biopsie-Slot im MR ist teuer und vor allem braucht sie Zeit, mit ihr kann man einfach nicht so viele Biopsien durchführen. Bei der Fusionsbildgebung werden die gewonnenen MRT-Aufnahmen mit den aktuellen Ultraschall-Bildern überlagert. Auf diese Art können wir im Ultraschall deutlich gezielter biopsieren.

Würde hier die PET/MRT nicht helfen, noch kleinere Karzinome zu entdecken?

Die PET ist vor allem deshalb spannend, weil es einen neuen Tracer auf dem Markt gibt, das prostata-spezifische Membranantigen (PSMA). Das PET/CT mit PSMA ist eine sehr gute Methode zur Diagnostik von Metastasen oder Rezidiven, nicht aber zur Primär-Diagnostik des Prostata-Karzinoms.

Wie detektieren Sie Karzinome unter fünf Millimeter?

Wir sehen Tumore mit 5 mm Größe oder kleiner nicht oder nicht immer, allerdings sind diese meistens auch nicht aggressiv. Hier bieten sich regelmäßige PSA-Kontrollen beim Urologen an. Steigt dieser Wert weiterhin, bietet sich eine Kontrolluntersuchung, jedoch nach größerem zeitlichem Abstand an.

Aggressive Tumore sollte man ab einer Größe von fünf bis zehn Millimeter Durchmesser erkennen können. Der Goldstandard in der Therapie des Prostatakarzinoms ist nach wie vor die Operation bzw. die Bestrahlung. Kleinere und wenig aggressive Tumoren werden voraussichtlich in Zukunft vermehrt unter Bildkontrolle fokal behandelt. Hier bedienen wir uns der irreversiblen Elektroporation, ein Procedere, bei dem Nadeln eingeführt werden, um den Tumor durch Elektroströme zu devitalisieren. Da dies keine thermische Therapie ist, besteht auch keine Gefahr umliegendes Nervengewebe durch Überhitzung zu schädigen. Dieses Verfahren bietet sich vor allem bei Patienten an, die ein ‚Active Surveillance‘ Verfahren nicht haben wollen oder abbrechen.

Welche Themen bewegen Sie in der Zukunft?

Vor allem der Mangel an großen Studien. Wir müssen es schaffen, Multicenter-Studien zu bildgeführten Stanzen und zum Wert der MRT in der Diagnostik des Prostata-Karzinoms aufzusetzen, die mehr Aussage haben als die derzeit publizierten. Zwar sind die MR-Techniken inzwischen gut etabliert, dennoch muss geprüft werden, welches Verfahren unter den verschiedenen MR-Techniken den höchsten Stellenwert hat bzw. welche Kombinationen am besten geeignet sind: Die T2-gewichtete Bildgebung, die diffusionsgewichtete Bildgebung und die MRT unter Kontrastmittelgabe, die momentan an Wert verliert. Gleiches betrifft auch die MR-Spektroskopie, die ebenfalls an Attraktivität wegen der zusätzlichen Untersuchungszeit verloren hat.

 

PROFIL:
Prof. Dr. Bernd Hamm leitet seit 1993 den Lehrstuhl für Radiologie der Charité und ist inzwischen Direktor der drei fusionierten Radiologischen Kliniken der Charité. Seit 2006 ist er Leiter des Charité Centrums 6 (Radiologie, Nuklearmedizin, Med. Physik) sowie fachlicher Leiter mehrerer MVZ der Charité für die Fächer Radiologie und Nuklearmedizin. In diesem Jahr ist er Kongresspräsident des ECR (European Congress of Radiology) in Wien.

11.05.2015

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