Heißes Eisen

Darf, soll, muss die MRT das Screening mit Mammographie ersetzen?

Die Personalisierte Medizin spielt in der Brustkrebsbehandlung und -diagnostik eine große Rolle. Dabei werden für jede Patientin persönliche, hocheffektive Behandlungen und Diagnoseverfahren eingesetzt. In der Mammadiagnostik sind dies vor allem neue MRT-Verfahren, denn sie ermöglichen die Quantifizierung von biologischen und physiologischen Prozessen auf zellulärer und molekularer Ebene.

mMRT mit KM-MRT, DWI und Natrium Bildgebung: Patientin mit einem...
mMRT mit KM-MRT, DWI und Natrium Bildgebung: Patientin mit einem niedrig-gradigem invasiv duktalem Karzinom der Mamma links zentral: (A-D). In der KM-MRT weist die irregulär konfigurierte Herdläsion eine erhöhte Tumor-Gefäßpermeabilität auf. (E) Die Herdläsion weist eine eingeschränkte Bewegung der Wasserstoffmoleküle mit deutlich erniedrigten ADC-Werten (0.9 x 10-3 mm2/sec) auf. (F) In der Natriumbildgebung zeigt sich eine erhöhte Natriumkonzentration. In der mMRT ist die Läsion eindeutig als maligne zu werten (BI-RADS 5).

„Die Rede ist von der molekularen MRT (mMRT), mit deren Hilfe es heute schon möglich ist, ohne Gewebeentnahme gutartige von bösartigen Brusttumoren zu unterscheiden, Behandlungsverfahren zu beeinflussen – Minimierung der Überdiagnose – und das Therapieansprechen von Karzinomen rasch vorherzusagen“, sagt Prof. Univ.-Prof. Dr. Thomas H. Helbich, zweiter Stellvertretender Leiter der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien.

Sein Vortrag in Garmisch wird sich mit dem Konzept der mMRT befassen. Bei der Entstehung von Brustkrebs spielen Schlüsselprozesse wie Tumorangiogenese, Zellproliferation, die Molekularbewegung und zahlreiche Stoffwechselveränderungen eine zentrale Rolle. Die mMRT ermöglicht die Quantifizierung dieser Schlüsselprozesse auf einem zellulären und subzellulären Niveau. „Der kombinierte Einsatz unterschiedlicher MRT-Techniken wie kontrastmittelunterstützte MRT, diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI) und MR-Spektroskopie (MRSI) ermöglicht erste Einblicke in die mMRT. Mit dieser Methode können simultan und nicht invasiv multiple bildgebende Biomarker gemessen werden “, beschreibt der Spezialist die Vorzüge der Methode. So konnte gezeigt werden, dass die Erfassung dieser Parameter die Spezifität signifikant steigert, ohne Brustkrebs zu übersehen. Thomas Helbich plädiert daher für einen stärkeren Einsatz von mMRT in der täglichen Brustdiagnostik.

Zudem spielt die MRT eine wesentliche Rolle in der onkologischen Therapiekontrolle. Durch ihren Einsatz ist, abhängig von der gewählten Methode, eine Unterscheidung von Karzinomen, die nicht oder sehr gut ansprechen, kurz nach Therapiebeginn möglich. Damit erfüllt, so Prof. Helbich, die MRT alle Voraussetzungen zur Umsetzung der personalisierten Medizin: Nicht wirksame Therapien können rasch abgebrochen und durch effizientere ersetzt werden.

Die Erweiterung der mMRT mit der PET bedeutet einen weiteren Quantensprung für die Umsetzung der personalisierten Medizin. Denn mit der Fluoro-deoxyglukose (18F-FDG) PET kann der Glukosestoffwechsel erfasst werden; wobei dieser im Vergleich zu normalen Zellen im Tumorgewebe gesteigert ist. Zusätzlich ist mit der PET eine zielgerichtete Bildgebung unter Verwendung spezifischer Radiotracer mögl. Diese können unterschiedliche und relevante Vorgänge der Tumorentstehung, Progression und des Therapieansprechens wie beispielsweise Tumorhypoxie, Apoptose, Zellproliferation oder Rezeptordichte erfassen.„In einer rezenten Studie konnte unsere Arbeitsgruppe zeigen, dass die PET-MRT eine verbesserte, nicht invasive Differenzierung von benignen und malignen Brusttumoren ermöglicht. So kann mit diesem Verfahren die Rate von „unnötigen Biopsien“ um 50 Prozent reduziert werden“, so Helbich.

Trotz all ihrer Vorzüge ist es um die Mamma-MRT, die immerhin auf Pionierarbeiten von zwei deutschen Radiologen/innen - Prof. Heywang Köbrunner und dem leider viel zu früh verstorbenen Prof. Kaiser - zurückgeht, im „Mutterland“ der Mamma-MRT nicht so gut bestellt - eine Entwicklung die Helbich kritisch sieht. Es gibt keinen Zweifel, dass die MRT der Brust derzeit keine Routineuntersuchung darstellen, sondern indikationsbezogen durchgeführt werden soll. Es sollte jedoch die weite Indikationspalette der Mamma-MRT nicht durch eine äußerst eng fokussierte evidenzbasierte Betrachtung der Medizin einschränkt werden. „So zeigt die Mamma-MRT, dass sie sehr wohl einen Wert im präoperativen Staging hat, beispielsweise beim invasiv lobulären Karzinom und bei nicht invasiven duktalen Karzinomen. Sie hat sich einen sicheren Platz im neoadjuvanten Chemotherapiesetting erobert und ist die beste Methode in der Differenzierung zwischen Narbe und Rezidiv. Zudem stellt sie unangefochten die beste Methode im Hochriskoscreening dar“, fasst Helbich zusammen und konstatiert abschließend: „Gerade die Daten des Hochrisikoscreenings mit MRT zeigen, dass ein Großteil von klinisch signifikanten Brustkarzinomen durch Mammographie und Sonographie im Vergleich zur MRT viel zu spät entdeckt werden. So wundert es nicht, dass in manchen Ländern bereits darüber nachgedacht wird, die MRT Protokolle der Brust deutlich zu verkürzen und sie als Screeningmethode anstelle der Mammographie zu etablieren.“


PROFIL:
Univ.-Prof. Dr. Thomas H. Helbich, MSc, MBA, ist Stellvertretender Leiter der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien. Als Experte für die Diagnostik des Mammakarzinoms leitete er das Breast Imaging Department an der Universität Toronto. Von 2009 bis 2011 war er Präsident der European Society of Breast Imaging (EUSOBI) und der Österreichischen Gesellschaft für Senologie (ÖGS).

20.02.2015

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