Neurorehabilitation

Genauere Prognosen dank MRT

Die Rehabilitationstherapie für neurologische Patienten nach Schlaganfall, Blutungen, Schädel-Hirn-Trauma oder nach Herz-Kreislauf-Reanimation hat große Fortschritte gemacht. „Die Auswahl, Intensität und Dauer hängt dabei maßgeblich von der Prognose des Patienten ab und diese kann man am besten anhand einer MRT einschätzen“, schildert Prof. Dr. Mario Siebler, Chefarzt der Fachklinik für Neurologie der MediClin Fachklinik Rhein/Ruhr in Essen.

Rekonstruktion der
Faserbahnen – hier
Pyramidalbahn –
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Rekonstruktion der Faserbahnen – hier Pyramidalbahn – aus dem Tensor Imaging (TDI).
Quelle: Mit Dank an Prof. Dr. Weber, Dr. Schlenkhoff/Universität Bochum

In der Akutphase ist die CT das Arbeitspferd, um Traumata und Veränderungen innerhalb des Gehirns schnell sichtbar zu machen. Innerhalb von 15 bis 20 Minuten können sich die akut behandelnden Fächer, insbesondere die Neurochirurgie, anhand eines Ganzkörperscans einen Überblick über überlebensnotwendige Therapien verschaffen. Damit ist die CT nicht nur schneller als die MRT, sie ist in der Regel auch besser verfügbar und erlaubt auch die Untersuchung mit Beatmungsgerät und begleitendem Personal. Für das Abschätzen von Folgeschäden kommt jedoch in einem zweiten diagnostischen Gate – nach frühestens 24 Stunden und wenn der Patient stabil genug ist – die MRT ins Spiel. „Wenn der Operateur raus ist und andere Dinge abgeklärt sind, interessiert man sich für die Größe des Schadens, der sich über Stunden und Tage nach einem akuten Ereignis entwickeln kann und in den ersten Minuten nach einem Unfall unter Umständen gar nicht sichtbar ist“, erklärt der Neurologe. Eine neuer Schlüssel für die Beurteilung des Patienten ist dabei die Möglichkeit der Rekonstruktion der Faserbahnen aus dem diffusionsgewichteten Bild, wie es das Diffusion Tensor Imaging erlaubt. Bereits seit etwa fünf Jahren auf dem Markt, wird es erst in den vergangenen ein bis zwei Jahren zunehmend eingesetzt, weil es nun die relevanten klinischen Fragestellungen in der Rehabilitation dafür gibt.


Faserbahnen in 3D und Farbe
Das Diffusion Tensor Imaging kommt ursprünglich aus der Insult-Diagnostik. Weil die Diffusionsstörungen im Gewebe gut sichtbar werden, können Schlaganfälle sehr früh erkannt werden. „Dabei hat man gesehen, dass man in drei Richtungen sieht und dass die Signalstärke abhängig von der Faserbahnrichtung ist. Durch die Nachberechnung werden Fasertrakte in 3D sichtbar gemacht, die inter- und intrahemisphärischen Verbindungen und die motorische Faserbahn des Pyramidaltraktes von der oberflächlichen Gehirnrinde bis in das Rückenmark. Damit wird auch gut erkennbar, wo die Faserbahnen lädiert oder gar unterbrochen sind“, so Siebler. Der eigentliche Sprung nach vorn gelang der Technologie nach seiner Ansicht durch die Weiterentwicklung der Software und der Wichtungen. „Andere Wichtungen wie die T2 können plötzlich auch Mikroblutungen nach Traumata sichtbar machen, die man vorher nicht sehen konnte. Mit den hohen Feldstärken werden inzwischen die Gefäßauflösungen so gut, dass die Angiographie oft überflüssig wird. Neue Dimensionen der biochemischen Gewebeanalyse eröffnen sich durch die Spektroskopie.“


Mehr Bildgebung in der Rehabilitation dringend erforderlich
Die Mechanismen sowohl der neuronalen Degeneration als auch der Regeneration während der Rehabilitation laufen über längere Zeiträume ab und sind klinisch nur schwer zu erfassen. Siebler empfiehlt deshalb eine erste Rehab-MRT nach zwei bis drei Tagen und nach drei bis vier Wochen eine weitere, was aber von den Kassen während der Reha-Phase derzeit noch nicht bezahlt wird. Was bedauernswert ist, denn je besser man den Patienten diagnostisch einstufen kann, umso besser kann man ihn auch behandeln. Anhand der Bilder können die Neurologen erkennen, ob die Schädigung der Motorik, die Sehfeld- oder Sprachstörung irreversibel ist oder nicht. Das ist entscheidend für die Wahl und Intensität der Therapie und erlaubt zudem eine ganze andere Kommunikation mit den Patienten und deren Angehörigen. „Wir haben in der Neurorehabilitationsmedizin in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht und mehr Therapiemethoden entwickelt. Wir sind jetzt an dem Punkt, wo durch bessere Bildgebung die Methoden gezielter eingesetzt werden können. Wir möchten mehr Hintergrundwissen haben. Wenn es nur ‚Wasser‘ zum Therapieren gibt, nützt es nichts, genauere Informationen zu haben. Aber es gibt immer mehr Möglichkeiten der Aktivierung, wie zum Beispiel mit Robotics oder fokaler Stimulation oder auch neue pharmakologische Ansätze. Um dafür eine bessere Abstimmung durchzuführen, brauchen wir gute Bildinformatio-nen, denn die klinische Untersuchung hat ein Limit.“


PROFIL:
Der Neurologe Prof. Dr. Mario Siebler leitet seit sechs Jahren die Neurologische-Neurochirurgische Rehabilitation der Mediclin Fachklinik Rhein-Ruhr in Essen Kettwig. Nach seinen neuro-physiologischen Grundlagenforschungen hat er neue Methoden in der Ultraschalldiagnostik des Schlaganfalls (Mikroemboliedetektion) entwickelt und an der Universität Düsseldorf die Stroke Unit aufgebaut. Im Forschungsverbund des BMBF geförderten Kompetenznetzwerkes Schlaganfall wurde das Prinzip „Stroke Imaging“ mitentwickelt. Derzeit beschäftigt er sich mit der Frage, ob eine spezifische Bildgebung für die Neurorehabilitation entwickelt werden kann, um Prognose und Therapiemethoden im Regenerations-und Rehabilitationsverlauf zu optimieren.

23.12.2014

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