„Tumorboards – live und in Farbe“

Deutscher Röntgenkongress 2014

Interview mit den Kongresspräsidenten Prof. Dr. Stefan Diederich, Düsseldorf, und Prof. Dr. Johannes Lammer, Wien

Prof. Dr. Stefan Diederich
Prof. Dr. Stefan Diederich

„Radiologie ist Diagnose und Therapie“ – das ist Ihr Motto für den 95. Deutschen Röntgenkongress und den 7. Gemeinsamen Kongress von DRG und ÖRG. Was steckt programmatisch hinter diesem Motto?

Prof. Diederich: Dass die Radiologie ein Fach mit vielen Facetten ist. Dazu gehört ganz klar in einem ersten Schritt die Diagnose der verschiedensten Erkrankungen, aber eben nicht nur. Radiologie ist auch eine Disziplin der Behandlung, das gerät immer etwas in den Hintergrund. Wir können mit unseren minimal-invasiven Techniken oft sogar die besten Optionen für eine Behandlung bieten. Das wollen wir eben nicht nur in den einzelnen Details des Kongresses zum Ausdruck bringen, sondern das soll sich gleich im Motto finden.

Prof. Lammer: Die interventionelle Radiologie gewinnt im Rahmen der zahlreichen Tumorboard-Konferenzen an Bedeutung. Operation, Chemotherapie, Strahlentherapie oder interventionelle Therapie: Welche Behandlung letztendlich angewandt wird, wird zunehmend beeinflusst vom Radiologen. Das kommt auch im Kongress zum Ausdruck, indem wir hier solche Tumorboards für die verschiedensten Erkrankungsgruppen veranstalten.

Prof. Diederich: Dafür haben wir insgesamt sechs Entitäten ausgewählt. Ziel ist, über einzelne Krankheitsbilder zu sprechen. Primäre Lebertumoren, Lebermetastasen, Lungenmetastasen, Nierentumoren, Knochentumoren sowie das Lungenkarzinom werden von Teams aus Wien, Düsseldorf, Berlin, München und Hamburg besprochen. Es werden Fälle sein, die die Kollegen aus ihren Heimatinstitutionen mitbringen und die sie dort schon mal besprochen haben. Damit sind sie so dicht an der Routine wie nur irgend denkbar. Also eine reale Vorstellung, live und in Farbe.

Inwiefern spielen Ihre eigenen Schwerpunkte in Forschung und Klinik bei der Auswahl der Kongress-themen eine Rolle?

Diederich: Meine persönlichen Schwerpunkte finden sich in zwei Themen wieder. Das sind die Thoraxradiologie und die onkologische Radiologie. Beide hängen heutzutage eng mit dem Schwerpunkt von Prof. Lammer, der interventionellen Radiologie, zusammen. Das vierte Schwerpunktthema, das konventionelle Röntgenbild, ist eher ein übergreifendes, was wohl vor allem der nicht mehr ganz blutjungen Generation der Radiologen am Herzen liegt. Denn wir beobachten, dass es zunehmend aus dem Fokus verschwindet. Deshalb wollen wir das konventionelle Röntgenbild bewusst in den Mittelpunkt rücken, um einerseits unseren eigenen Nachwuchs auf einem hohen Niveau auszubilden und andererseits auch ein Signal nach außen in andere Fächer hineinzusetzen: Die Radiologie sieht sich weiter der Aufgabe verpflichtet, optimale Röntgenbilder anzufertigen und diese dann auch optimal zu befunden. Darin enthalten ist auch die Botschaft, dass der Radiologe immer noch der Fachmann für die Befundung von Röntgenbildern ist – und nicht der Orthopäde, Chirurg oder Internist.

Lammer: Vergessen wir nicht die Herzbildgebung! Gerade in diesem umkämpften Gebiet möchten wir auf dem Kongress auch ein deutliches radiologisches Zeichen setzen.

Im Film vom 94. Deutschen Röntgenkongress sprechen Sie, Prof. Diederich, davon, dass es sehr wichtig ist, insbesondere den radiologischen Nachwuchs zu fördern. Was bietet der 95. Deutsche Röntgenkongress der jungen Generation?

Diederich: Es ist wichtig, dass wir für die verschiedenen Ausbildungsstadien auch jeweils maßgeschneiderte Veranstaltungen anbieten. Es gibt dafür das Fit-für-den-Facharzt-Format, das für den Weiterbildungsassistenten gedacht ist. Dann haben wir ein Studentenprogramm für diejenigen, die noch im Studium sind und die nicht einfach mitlaufen sollen bei Kursen, die eigentlich von ihren Schwerpunkten her für Erfahrene gedacht sind. Neu in diesem Programm wird der Kurs „Sono 4 U“ sein (http://www.oemu.at/sono/), der von Studenten aus Österreich und Deutschland organisiert wird. Außerdem gibt es Stipendien, wie zum Beispiel das Programm der „hellsten Köpfe für die Radiologie“, bei dem Radiologen als Paten für Studenten auftreten. Aber es gibt auch die Möglichkeit, generell Stipendien zu fördern, die die Deutsche Röntgengesellschaft an Bewerber vergibt, die empfohlen werden.

Lammer: Gerade in Zeiten des potenziellen Ärztemangels ist es wichtig, dass wir für unseren eigenen Nachwuchs sorgen. Solche Programme sind hervorragend geeignet, um einen ersten Einblick in den Facettenreichtum der Radiologie zu bekommen.

Welche Partnergesellschaften haben Sie zum diesjährigen Röntgenkongress eingeladen?

Lammer: Für die Schwerpunktthemen „onkologische Bildgebung“ und „Interventionen“ haben wir die International Cancer Imaging Society (ICIS) sowie die European Society of Oncologic Imaging (ESOI) dabei. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP), die Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) sowie die European Society of Cardiac Radiology (ESCR) konnten wir für die Themen „Thoraxdiagnostik“ und „Herzdiagnostik“ gewinnen. Schließlich wird es für den Bereich der interventionellen Radiologie eine Kooperation mit der Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe (CIRSE) geben.

Verraten Sie uns die Themenschwerpunkte im MTRA-Programm?

Lammer: Die Vereinigung der Medizinisch-Technischen Berufe in der DRG (VMTB) und der Verband der RadiologietechnologInnen Österreich (RTaustria) haben gemeinsam das MTRA-Programm auf dem 95. Deutschen Röntgenkongress auf die Beine gestellt. Die Themenschwerpunkte des wissenschaftlichen Programms finden sich auch hier wieder, ergänzt durch MTRA-spezifische Themen wie beispielsweise „MTRA im Ausland“ und dem großen Thema „Strahlenschutz“. Zum ersten Mal wird es zudem ein Lunchsymposium extra für MTRA-Schüler geben.

Wer wird die Röntgenvorlesung halten?

Diederich: Wir haben Prof. David Hansell eingeladen. Er ist Thoraxradiologe am Royal Brompton Hospital in London. Das ist eine Klinik, die sich schwerpunktmäßig der Herz- und Thoraxmedizin widmet und sicher eine der besten Adressen in Europa ist. Prof. Hansell ist ein ausgezeichneter Redner, der es versteht, sein Publikum zu fesseln. Zudem ist er für uns der richtige Röntgenvorleser, weil er sich als Radiologe an der Schnittstelle zum Patientenmanagement sieht – also als jemand, der für seine klinischen Partner nicht nur schöne Befunde liefern muss, sondern der Befunde liefern will, bei denen relativ klar erkennbar ist, wie sie die Behandlung des Patienten beeinflussen. Eingebettet haben wir ihn mit dieser Vorlesung in den Freitag des Kongresses, der sich hauptsächlich dem Thema „Thoraxradiologie“ widmet – also ein richtiger „Thorax-Tag“ werden wird.

Vielen Dank für das Gespräch!
 

05.11.2013

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