Die alten Mechaniker wieder jung machen

Wissenschaftler entdecken bisher unbekannten Grund für das Altern von Blutstammzellen – und wie man sie wieder verjüngen kann: Veröffentlichung im renommierten Fachjournal Nature

Prof. Dr. Hartmut Geiger (Foto: UK Ulm)
Prof. Dr. Hartmut Geiger (Foto: UK Ulm)
Alte blutbildende Stammzellen zeigen ein erhöhtes Auftreten des Eiweißstoffs...
Alte blutbildende Stammzellen zeigen ein erhöhtes Auftreten des Eiweißstoffs Wnt5a (grün), die blaue Farbe zeigt den Zellkern (Foto: M.C. Florian)

Blutstammzellen sorgen im Körper dafür, dass sich Blut- und andere Zellen im Körper regenerieren –sie sind hier sozusagen die „Mechaniker“. Wenn diese Mechaniker altern, können sie ihre Aufgaben nicht mehr richtig wahrnehmen. Gelingt es, sie zu verjüngen, werden alle Zellen in ihrem Verantwortungsbereich wieder besser „repariert“. Dass das möglich ist, zeigten nun Forscher aus Ulm und Cincinnati. Sie konnten erstmals nachweisen, dass Blutstammzellen im Verlauf der Alterung auf ein anderes Signalübermittlungssystem umsteigen. Ausgelöst wird dieser Wechsel durch den Anstieg eines bestimmten Eiweißstoffs. Blockiert man dessen Funktion, so das erstaunliche Ergebnis, verjüngen sich die Blutstammzellen wieder. Diese Erkenntnis könnte ein wichtiger Ansatzpunkt sein, um langfristig Therapien für Krankheiten zu entwickeln, die mit der Fehlfunktion von adulten Stammzellen zusammenhängen. Gleichzeitig ist sie ein wichtiger Schlüssel, um den Prozess des Alterns insgesamt besser zu verstehen. Die Forschungsergebnisse erscheinen am Sonntag, den 20. Oktober 2013, in einem der international renommiertesten Fachjournale, Nature (DOI: 10.1038/nature1263).

Eine zentrale Rolle für das gute Funktionieren der Blutstammzellen spielt das Signalübermittlungssystem Wnt, denn es regelt Kommunikation und Interaktion in und zwischen Zellen. „Wir konnten zeigen, dass die Blutstammzellen im Verlauf der Alterung zu einem anderen Wnt-Signalübermittlungssystem wechseln. Das war bisher nicht bekannt und ist damit ein wichtiger neuer Schlüssel, um den Alterungsprozess besser zu verstehen“, erläutert Prof. Dr. Hartmut Geiger, Leiter der Klinischen Forschergruppe KFO 142, die über Molekulare und zelluläre Mechanismen des Alterns forscht und eng mit Wissenschaftlern des Cincinnati Children’s Hospital Medical Center zusammenarbeitet. Das bereits bekannte Signalsystem der jungen Zellen nennt die Wissenschaft „kanonisch“ (canonical), das jetzt gefundene erhielt daher die Bezeichnung „nicht-kanonisch“ (non-canonical).

Die Alterung und den Wechsel im Signalsystem löst das stark erhöhte Auftreten eines Eiweißstoffes aus, genannt Wnt5a.  Die Wissenschaftler überprüften genauer, wie dieses Eiweiß wirkt:  „Wenn wir das Auftreten des Eiweißes in jungen Stammzellen erhöhten, so alterten sie. Wenn wir bei jungen Zellen die Funktion des Eiweißes blockierten, blieben die sie dagegen jung“, erklärt Dr. Carolina Florian, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe um Professor Geiger und Erstautorin der Studie. „Das Erstaunlichste aber war, dass alte Blutstammzellen sich in ihrer Funktion wieder verjüngten, wenn wir Wnt5a blockierten. Das heißt, der Alterungsprozess ist umkehrbar.“

Die Wissenschaftler fanden auch neue Zusammenhänge mit ihren bisherigen Forschungsergebnissen über die altersbedingte Auflösung von Ordnungsstrukturen in Blutstammzellen „Unsere bisherigen und unsere aktuellen Erkenntnisse geben uns neue Ansatzpunkte, um langfristig mögliche Therapien für Erkrankungen, beispielsweise des blutbildenden Systems, des Immunsystems oder von Dünndarm, Muskeln oder Haut zu erforschen.  Das aber ist ein langer Weg. Wir konnten das Wnt5a-Eiweiß jetzt auf genetischem Wege beeinflussen. Die nächste Herausforderung liegt darin, dies durch eine pharmakologische Substanz zu erreichen“, so Geiger.

Die hochrangige Publikation im Fachjournal Nature, an der auch Wissenschaftler aus München beteiligt waren, belegt einmal mehr den internationalen Rang der Alternsforschung in Ulm. „Möglich sind solche umfassenden Forschungen nur mit einem exzellenten Team, durch die Nutzung hochwertiger Geräte und auf der Basis einer nachhaltigen Förderung“, so Geiger.

 

22.10.2013

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