Wie Burnout bei Medizinern vorgebeugt werden kann

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News • Stress im Klinikalltag

Wie Burnout bei Medizinern vorgebeugt werden kann

Auch in den besten Zeiten ist das Arbeitspensum von Medizinern, Krankenpflegern und medizinischen Fachkräften hoch. Die Corona-Pandemie hat zusätzlich dazu beigetragen, dass das Pensum und die Belastung weiter gestiegen sind – mit schwerwiegenden Folgen:

Eine Ende 2020 durchgeführte Umfrage des American College of Cardiology (ACC) unter mehr als 1.200 US-amerikanischen Ärzten und ACC-Mitgliedern ergab einen deutlichen Anstieg der Burnout-Fälle im Vergleich zum Vorjahr. Besonders betroffen sind demnach Kardiologen – 55 Prozent von ihnen gaben an, auf dem Höhepunkt der Pandemie Burnout-Symptome gehabt zu haben. Der Umfrage zu Folge hatten Kardiologen in der Mitte ihrer beruflichen Laufbahn und Kardiologinnen, die in diesem Bereich ohnehin unterrepräsentiert sind und oft zusätzlichen, einen Burnout begünstigenden, Stressfaktoren ausgesetzt sind, ein höheres Risiko zu erkranken.

Das steigende Stress- und Burnout-Level bei medizinischen Fachkräften sind ein Alarmsignal. Sie haben nicht nur schwerwiegende Folgen für den Einzelnen, sondern werden sich auch auf die Patientenversorgung auswirken

Stephan Achenbach

Etwa 20 Prozent derjenigen, die angaben unter Burnout zu leiden, erwägen ihren Beruf aufzugeben oder vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Und etwa 30 Prozent von ihnen planen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Als Hauptgründe hierfür nannten die befragten Ärzte den Druck, bei der Pflege Quantität über Qualität zu stellen, und den zunehmenden Verwaltungsaufwand. Dabei ist der Einfluss der Corona-Pandemie nicht zu leugnen: Sie führte zu höheren Sterblichkeitsraten, steigender Arbeitsbelastung und erschwerte es medizinischen Fachkräften, Beruf und Privatleben zu vereinbaren.

Anlässlich der sich verschlechternden Situation verfassten das American College of Cardiology, die American Heart Association und European Society of Cardiology sowie die World Heart Federation ein gemeinsames Positionsspapier mit sechs spezifischen Empfehlungen. „Das steigende Stress- und Burnout-Level bei medizinischen Fachkräften sind ein Alarmsignal“, sagte ESC-Präsident Professor Stephan Achenbach. „Sie haben nicht nur schwerwiegende Folgen für den Einzelnen, sondern werden sich auch auf die Patientenversorgung auswirken.“ 

Die Autoren der gemeinsamen Stellungnahme betonen, dass das Problem nicht neu sei – sich durch die Pandemie aber verschärft habe. Im Laufe der Jahre hätten technologischer Wandel, zunehmende Verwaltungsarbeit und regulatorische Belastungen für neue Stressfaktoren gesorgt. Tatsächlich ergab eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2018 mit 15.000 Ärzten aus 29 Fachrichtungen, dass 42 Prozent der Befragten Burnout-Symptome aufwiesen. Die Studie stellte zudem fest, dass Kardiologen tendenziell am häufigsten unter Burnout litten, aber auch am seltensten professionelle Hilfe in Anspruch nahmen – nur 17 Prozent gaben an, dass sie dies wahrscheinlich tun würden. 

Eine zentrale Empfehlung der gemeinsamen Stellungahme ist, dass Einrichtungen im Gesundheitssektor alles in ihrer Macht stehende tun sollten, um Ärzte von dem Stigma zu befreien,  Ressourcen für ihre psychische Gesundheit zu fordern. Initiativen für Vielfalt und Inklusion, die das Zugehörigkeitsgefühl fördern, sollten ebenso ausgeweitet werden wie Instrumente, die Workflows und klinische Effizienz verbessern. 

Die Bekämpfung von Burnout bei Ärzten ist ein vielschichtiges Unterfangen, das sowohl Lösungen einzelner Kliniken als auch Fachgesellschaften erfordert. Aber auch E-Health kann helfen. So bietet der technologische Fortschritt immer mehr Möglichkeiten, wie die Industrie Ärzten und Kliniken bei der Bewältigung ihrer hohen Arbeitsbelastung helfen kann. „Die digitale Gesundheitsentwicklung hat auch noch eine andere Seite. Es gibt viele Informationen und Daten, die im Rahmen von Telemedizin-Angeboten bei Kliniken eingehen und von medizinischen Fachkräften überprüft werden müssen. Wie dieser Prozess optimiert werden kann, um die Datenauswertung so einfach wie möglich zu gestalten, ist eine der dringendsten Fragen im Bereich E-Health“, betonte Dr. Naveed Khan, Director for Business and Commercial Development in Digital Health bei Biotronik in einem früheren Interview. „Der nächste Meilenstein im Bereich Digital Health sind zukunftsweisende Dienstleistungen, die vollständig oder teilweise durch Künstliche Intelligenz automatisiert werden und Ärzte bei der Optimierung von Arbeitsabläufen unterstützen können.“ 

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Insgesamt betonen die Autoren der gemeinsamen Stellungnahme jedoch, dass viele der erforderlichen Maßnahmen weit über das hinausgehen, was ein einzelner Arzt selbst tun kann. „Institutionen im Gesundheitssektor konzentrieren sich überwiegend darauf, den einzelnen Mitarbeiter ‚zu reparieren‘ – mit individuell ausgerichteten Programmen wie beispielsweise Resilienz- und Stressmanagementtrainings zur Verbesserung des Wohlbefindens“, schreiben sie. „Es müssen jedoch viel mehr Anstrengungen unternommen werden, um systemische Probleme zu lösen, die das Arbeitsumfeld beeinflussen.“ 

Konkret empfehlen die vier großen Institutionen Kliniken, vermehrt in psychosoziale Unterstützung und Modelle für Mitarbeiter zu investieren – angelehnt an das Stanford WellMD Professional Fulfillment Model. Zudem fordern sie Organisationen im Gesundheitssektor auf, Mittel in die Hand zu nehmen, um Strukturen zu schaffen, die es Ärzten erlauben, Fehlverhalten im Zusammenhang mit ihrer psychischen Belastung vertraulich zu melden und ihnen das Stigma zu nehmen, nach psychosozialer Hilfe zu fragen. Dies kann bedeuten, dass Kliniken bestimmte Prozesse anpassen müssen, um dafür zu sorgen, dass Mitarbeitende psychische Belastungen melden können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. 


Quelle: Biotronik

08.10.2021

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