Quelle: AG Stauber, Universitätsmedizin Mainz

News • Kleinste Teilchen ganz groß

So können Nanopartikel der Darmflora helfen

Das Darm-Mikrobiom leistet nicht nur unverzichtbare Dienste bei der Verdauung, sondern spielt auch bei verschiedensten Krankheiten eine Rolle. Neue Erkenntnisse über den Einfluss von Nanopartikeln auf Darm-Mikroorganismen haben nun Forscher unter Federführung der Universitätsmedizin Mainz erzielt:

Die Kleinstpartikel binden an Darm-Mikroorganismen und beeinflussen so deren Lebenszyklus. Die Forscher beobachteten beispielsweise, dass eine Infektion durch den am Magenkrebs beteiligten Krankheitserreger Helicobacter pylori zurückging, nachdem sich Nanopartikel daran angelagert hatten. Diese Erkenntnisse dienen sowohl als Grundlage für weitere epidemiologische Untersuchungen als auch der Entwicklung "probiotischer Nanopartikel". Nachzulesen sind sie in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Publishing Journal - Science of Food“.

Nanoteilchen werden nicht nur gezielt unserer Nahrung zugesetzt, sondern entstehen auch völlig natürlich bei deren Zubereitung - sind also bereits omipräsent

Roland Stauber

Nanopartikel haben aufgrund ihrer minimalen Größe einzigartige Eigenschaften und Fähigkeiten, beispielsweise bei der Anlagerung an Kleinststrukturen. Deswegen gilt die Nanotechnologie sowohl in der Industrie als auch in der Medizin als wichtiger Innovationsträger. Die Medizin hofft insbesondere auf verbesserte Diagnose- und Behandlungsmethoden durch die Kleinstteilchen. Die Industrie hat eher Produktoptimierungen im Blick. Sie verwendet künstlich hergestellte Nanopartikel bereits als Zusatzstoffe, um beispielsweise die Produkteigenschaften von Lebensmitteln zu verbessern. Doch wie lässt sich die Anwendung der Nanotechnologie in Lebensmitteln sicherer und effizienter gestalten? Welche Wirkprinzipien gilt es zu beachten?

Durch den vermehrten Einsatz der Nanotechnologie erlangt die Suche nach Antworten hierauf zunehmend an Bedeutung. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass Nanopartikel außer über Mund und Nase vor allem über die Nahrung in den Körper gelangen. Die Ernährung wiederum hat starken Einfluss auf die Vielfalt und Zusammensetzung des sogenannten Mikrobioms. Das Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die den Menschen besiedeln, insbesondere alle Darmbakterien – also die Darmflora, aber auch die Haut, Mund- und Nasenhöhle besiedelnden Mikroorganismen.

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Interessant für die Forschung und Klinik sind Mikrobiome auch deshalb, weil sie das Immunsystem, den Stoffwechsel, die Gefäßalterung, die Hirnfunktionen sowie das Hormonsystem ihres Wirts positiv oder auch negativ beeinflussen können. Daher spielt die Zusammensetzung dieser Mikroorganismen auch eine Rolle bei der Entstehung verschiedener Erkrankungen. Dazu zählen beispielsweise Herz-Kreislauf-Krankheiten, Darmkrebs, Allergien oder Adipositas bis hin zu psychischen Störungen. Zudem kann sich die Wechselwirkung zwischen dem Mikrobiom und dem Wirt – und damit die Gesundheit des Menschen – verändern, wenn Umweltfaktoren, wie die Einnahme von Medikamenten und vor allem die Ernährung, also beispielsweise mit technischen Nanopartikeln versetzte Lebensmittel, auf sie einwirken. Um potenzielle Risiken zu verringern sowie idealerweise die Gesundheit zu fördern, gilt es daher, die potenziell negativen oder positiven Auswirkungen von mit der Nahrung aufgenommenen Nanoteilchen bestmöglich zu untersuchen und zu verstehen.

„Ob und inwiefern diese Nano-Zusätze die Magen- oder Darmflora überhaupt beeinflussen, war bislang völlig unbekannt. Daher haben wir es uns zum Ziel gesetzt, die komplexen Interaktionen von Nanopartikeln mit Mikroorganismen zu erforschen und ihre potenziellen positiven oder schädlichen Folgen zu verstehen", erläutert Univ.-Prof. Dr. Roland Stauber von der Hals-, Nasen-, Ohren-Klinik und Poliklinik – Plastische Operationen (HNO) der Universitätsmedizin Mainz. „Zu diesem Zweck untersuchten wir eine Reihe von technischen Nanopartikeln mit klar definierten Eigenschaften, um diejenigen zu simulieren, die derzeit oder potenziell in der Lebensmittelindustrie als funktionelle Inhaltsstoffe verwendet werden. Besonders spannend wurde es, als wir Nanoteilchen aus Lebensmitteln wie Bier isolieren konnten. Das heißt, Nanoteilchen werden nicht nur gezielt unserer Nahrung zugesetzt, sondern entstehen auch völlig natürlich bei deren Zubereitung - sind also bereits omipräsent."

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Atomkraftmikroskopische Aufnahme eines Darmbakteriums mit angelagerten Silika-Nanopartikeln.
Quelle: AG Stauber, Universitätsmedizin Mainz

Indem sie den Gang der Partikel durch die unterschiedlichen Bedingungen des Verdauungstrakts im Labor nachstellten, konnten die Wissenschaftlern nachweisen, dass eine Vielzahl von Nanomaterialien an Bakterien binden können, so auch die "Bier-Nanopartikel". Wie sich zeigte, kann sich dieser Vorgang unterschiedlich auswirken. Einerseits scheint die körpereigene Immunpolizei bedeckte Mikroorganismen weniger effizient zu erkennen, was zu vermehrten Entzündungsreaktionen führen kann. Andererseits sind auch positive Nebeneffekte durch das "Nano-food" möglich. Beispielsweise ließ sich in Zellkulturmodellen durch Silica-Nanoteilchen die Infektiösität des Keims Helicobacter pylori, der als Hauptursache für die Entstehung von Magenkrebs gilt, abschwächen. Dies lässt den Schluss zu, dass nanoskalige Lebensmittelzusatzstoffe sowie natürlich vorkommende Nanoteilchen genutzt werden können, um das Mikrobiom (rational) zu formen.

„Aus den erzielten Studienergebnissen lassen sich nun Strategien ableiten, um technische Nanopartikeln als Inhaltsstoffe für funktionelle Lebensmittel zu entwickeln und anzuwenden. In diesem Forschungsfeld, einschließlich Nahrungsmittelallergien, liegt ein riesiges Potenzial“, so Professor Stauber. „Herauszufinden, ob und vor allem welche Art von künstlichen oder natürlichen Nanoteilchen möglicherweise sogar als probiotische Nahrungsergänzung ihre Anwendung finden könnten, ist für uns Forscher eine spannende Herausforderung", betonen Stauber und sein Team.


Quelle: Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

29.01.2019

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