Therapiemanagement

Selbstmessung – Neue Qualität durch digitale Verarbeitung

Rund 7,5 Millionen Menschen sind in Deutschland von Diabetes mellitus betroffen. Damit einher geht die tägliche Messung und Dokumentation des Blutzuckerwertes. Apps zur Therapiebegleitung können diesen Prozess nicht nur unterstützen, indem sie die Daten direkt auswerten. Sie können zudem via E-Mail an den behandelnden Arzt übermittelt und die Therapie im Zweifelsfall über den gleichen Weg zeitnah angepasst werden.

Healthcare-in-europe sprach mit Prof. Martin Middeke, Mitglied der Kommission Telemedizin der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), über das digitale Therapiemanagement und die Chancen der Telemedizin für die Gesundheitsversorgung.

Interview: Melanie Günther

Prof. Martin Middeke
Prof. Martin Middeke
Quelle: privat

Im Rahmen des eigentlichen Therapiemanagements chronisch kranker Patienten spielen Therapietreue und -sicherheit sowie die Kontrolle von Vitalparametern eine entscheidende Rolle. Wie können diese Faktoren mithilfe eines digitalen Therapiemanagements umgesetzt werden?

Prof. Martin Middeke: Die Digitalisierung ermöglicht sowohl die Verarbeitung großer Datenmengen als auch die ortsunabhängige Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Zwei chronische Krankheiten stehen exemplarisch für den Fortschritt, der mittels Digitalisierung erreicht werden kann: Sowohl der Blutzucker beim Diabetes mellitus als auch der Blutdruck bei der arteriellen Hypertonie sind zwei sehr variable Vitalparameter und sehr gut geeignet für ein entsprechendes Monitoring. Für eine optimale Therapiesteuerung müssen möglichst viele Messungen durchgeführt und entsprechend verarbeitet werden. Die Selbstmessung der Werte erfährt durch die digitale Verarbeitung eine ganz neue Qualität und kann die Therapieadhärenz und -sicherheit deutlich erhöhen. Beispielsweise kann ich, während ich diese Interviewfragen online aus Afrika beantworte, internetbasiert und natürlich entsprechend geschützt, die heutigen Blutdruckdaten meiner Patienten, bei denen aktuell ein Telemonitoring durchgeführt wird, sehen und die Therapie per E-Mail oder SMS falls notwendig modifizieren. Das verstehen wir unter Telemedizin.

Welche Rolle spielt die medizinische Versorgung zu Hause oder unterwegs über Smartphone und Tablet bei der Behandlung chronisch kranker Patienten?

Middeke: Bleiben wir bei den beiden Volkskrankheiten Diabetes und Hypertonie: Die Therapieeinstellung sollte möglichst ambulant auf der Basis der selbst gemessenen Werte Zuhause beziehungsweise im Alltag erfolgen. Hierzu sind entsprechende Monitorsysteme erforderlich. Smartphones oder Tablets können dabei hilfreich sein.

Welche Vorteile ergeben sich für Ärzte durch digitales Therapiemanagement?

Middeke: Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Therapiesteuerung erheblich erleichtert und verbessert werden kann. Dabei kann Zeit gespart werden, zum Beispiel durch weniger Arztbesuche und Sprechstunden. Gleichzeitig wird die Arzt-Patienten-Beziehung gestärkt – entgegen anderen Behauptungen – durch den Einblick in die Alltagsmessungen und deren Beziehung zum Alltagsgeschehen des Patienten.

Welche weiteren Konzepte können die Versorgung von Patientinnen und Patienten zukünftig unterstützen?

Middeke: Die Telemedizin steht erst am Anfang und es sind noch viele Indikationen und Monitorsysteme von Interesse. Die chronischen Krankheiten sind und bleiben "analog". Die Digitalisierung aber eröffnet neue Möglichkeiten der Diagnostik und Therapiesteuerung. Neue Konzepte und Projekte sollten allerdings denselben wissenschaftlichen Ansprüchen genügen wie die bisherige Medizin.

 

PROFIL:

Prof. Martin Middeke ist seit 2014 Mitglied der Kommission Telemedizin der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) sowie Coordinating Investigator of EUSTAR (European Society of Hypertension Telemedicine in Arterial Hypertension Register). Seine Fachgebiete umfassen unter anderem die Diabetologe und Hypertensiologe. Aktuell erforscht er den Einsatz von Telemedizin bei kardiovaskulären Erkrankungen, unter anderem bei Herzinsuffizienz, schwer einstellbarer Hypertonie, Schwangerschaftshypertonie sowie dem Metabolischen Syndrom.

05.11.2015

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